«Jauchzet, frohlocket, auf preiset die Tage»: Festlicher, prunkvoller, mit noch mehr Pauken und Trompeten, ist die Geburt Jesu wohl nie begrüsst worden, als das Bach in seinem «Weihnachtsoratorium» tat. Das ist alles von derart hinreissender Wirkung, dass man nie auf die Idee käme, dass es sich hier um eine Zweitverwertung handelt. Denn ursprünglich schrieb Bach diesen Chor als Eröffnung einer Glückwunschkantate zum Geburtstag von Maria Josepha, der Kurfürstin von Sachsen und Königin von Polen. Sehr weltliche Musik also. Aber überraschenderweise macht sie in ihrer neuen, religiös-weihnachtsgeschichtlichen Umgebung noch viel mehr Effekt. Das heisst, Bach konnte auf sein untrügliches stilistisches Gespür für solche Zweitverwertungen vertrauen und ohne Bedenken mehrere Chöre und Arien aus weltlichen Kantaten fast vollständig in das «Weihnachtsoratorium» integrieren. Denn erst hier entfaltet diese Musik ihren wahren Glanz. Längst zählt das «Weihnachtsoratorium» zu seinen populärsten Werken, beliebt beim Publikum wie bei den Chören. Es ist, als würde Bach einen mit dieser Musik direkt ansprechen, unmittelbar und ungekünstelt. Vielleicht ist genau das die grösste Kunst. Und man staunt jedes Mal von neuem, wie sehr einem dieses Werk nahe geht, wie sehr es uns beeindruckt ‒ und beglückt. Johann Sebastian Bach - "Weihnachtsoratorium", BWV 248, Kantaten 1 bis 3